von Bianka C.
Es ist 2 Uhr nachts…..
Mein (e) Wecker dröhnen durchs Schlafzimmer – ich frage mich wieder mal: Was mache ich hier eigentlich? Und dann breitest sich ein wissendes Grinsen auf meinem Gesicht aus 😊
Ich springe aus dem Bett, schnappe mir einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu Essen, vergewissere mich, dass ich Gummistiefel, Regenhose, Taschenlampe und Handschuhe dabei habe und mache mich auf dem Weg – zum Treffpunkt. Dort versammeln sich nach und nach noch mehr „Verrückte“ wie ich. Trotz der frühen Stunde und durchaus müden Gesichtern, herrscht zwischen den Jägern und ehrenamtlichen Helfern der „Rehkitz- und Wildtiersuche Hegering Tostedt“ eine fröhliche Stimmung – die ersten Sprüche fallen – das erste Lachen ist zu hören.
Kisten, Körbe, Funkgeräte werden verteilt, Touren und Besonderheiten noch kurz durchgesprochen und die Teams finden sich. Dann geht es auch schon los – zum 1. Feld! – der Grund, warum ich breit grinsend aus dem Bett steige – um 2 Uhr nachts: Kitze und Wildtiere vor Schaden durch die Grasmahd auf dem Feld bewahren.
Die Felder, die heute gemäht werden sollen, wurden 1-2 Tage vorher von den Landwirten oder Jägern an uns gemeldet. Sie wurden kartiert und stehen nun als Routenplanung den Teams zur Verfügung. Das Team besteht bestenfalls aus je 1 Drohnen-Pilot/-Copilot und 4x „Bodenpersonal“.
Ich gehöre zum „Bodenpersonal“ und lasse mich von dem Piloten/Copiloten über das Feld scheuchen (die empfohlenen 10.000 Schritte/Tag erreiche ich oft 😉). Sobald die Wärmebildkamera der Drohne einen markanten Punkt anzeigt, kämpft sich das Bodenpersonal durch das noch nasse, hüfthohe Gras zum potenziellen Fundort. Und da liegt es dann: zusammengerollt, ängstlich, geduckt im hohen Gras – ein Kitz. Ein Kitz, dass dem Instinkt folgt, sich zu ducken und sich nicht zu bewegen, um sich vor Gefahren zu schützen. Es würde vor einem Mähwerk nicht weglaufen – und genau deshalb sind wir hier. Die Kiste wird vorbereitet, Gras hineingelegt. Mit viel Gras in meinen behandschuhten Händen, hebe ich das Kitz vorsichtig auf. Jetzt aufpassen – damit kein menschlicher Geruch an das Kitz kommt. Ich spüre das Herz des Jungtieres heftig schlagen – es hat Angst. Vorsichtig wird es in die spezielle Kiste gelegt und mit Deckel und Gurten verschlossen.
An einem sicheren Ort am Feldrand – geschützt vor der aufgehenden Sonne- wird die Kiste abgelegt. Noch ein Foto, Name des Drohnenteams (unsere Drohnen haben Namen: Rehnate, Hornet, Maja und eine private Drohne namens Brummhilde) – und ganz wichtig: der Standort, wo sich das gesicherte Kitz befindet, werden in eine Chatgruppe gestellt. Da wir gleichzeitig mit mehreren Teams unterwegs sind, kann es dann durchaus passieren, dass wir gleichzeitig Fotos und Kitznummern einstellen – aber keine Sorge – wir bekommen den Zahlen/Foto/Standort-Knoten immer wieder mit viel Humor auseinander gepult.
Das Kitz beruhigt sich – und wir werden vom Drohnenpilot per Funkgerät wieder zum nächsten potenziellen Fundort geschickt: „Bitte zur Drohne gehen…. Noch 5 Schritte, 11Uhr… noch 2 Schritte… STOP! Direkt neben Dir!“ – oh man, die Kleinen sind aber wirklich gut unter dem hohen Gras versteckt 😉
So fahren wir von Feld zu Feld. Begleitet von wunderschönen Sonnenaufgängen, Situationskomik, ab und zu Kaffee und Brötchen vom Landwirt und immer wieder neuen Erfahrungen: z.B. dass man manche Gräben einfach nicht sieht – sondern auf einmal drin steht, das Junghasen (nicht größer als eine Handvoll) gern durch die Griffe der Wäschekörbe wieder ausbüxen – und wir sie nochmal einfangen können, dass das Gras durchaus auch mal höher als 1,50 ist, dass Zaunpfähle und Maulwurfhügel für eine Drohne zum potenziellen Fund werden können (sie strahlen Wärme ab, sobald die Sonne aufgeht), dass das Zählen der Kitze/Junghasen morgens um 4 eine echte Herausforderung ist, und vieles mehr.
Gegen 08.00 Uhr geht es dann – zugegeben etwas verdreckt und vielleicht auch mit dem einen oder anderem Mückenstich – wieder nach Hause. Das gute Gefühl, Tiere vor Schaden bewahrt zu haben, bleibt und ich kann mich nach einer Stärkung zufrieden vor den PC setzen – denn wie wir alle, bin ich ehrenamtlich unterwegs und habe natürlich noch einen regulären Job zu erledigen.
Sobald die Flächen gemäht und das Gras gewendet wurde, werden wir informiert. Die „Paten“ für die Kitze/Jungtiere fahren los und entlassen die Tiere wieder in die Freiheit. Meistens steht die Ricke schon in der Nähe der Kiste und erwartet ihr Jungtier.
Ab mittags geht es dann wieder los – es wird neu für den folgenden Tag kartiert, Teams zusammengestellt usw.
…und ich weiß, dass ich in der Nacht wieder mit einem breiten Grinsen aufstehen werde 😊