Mit Rehkitzsuche habe ich mich vorher noch nie auseinandergesetzt, bis ich gefragt wurde, ob ich nicht einmal Lust hätte eine Drohne zu fliegen. Soweit so gut. Doch letztlich weit gefehlt; es ist viel mehr als das! Erste Tuchfühlung hatte ich mit der Rehkitzsuche per zu Fuß, die sogenannten „Tausendfüßler“. Ein wirklich passender Name. Eine Reihe von Menschen sucht eine Wiese zu Fuß nach Rehkitzen ab. Aufmerksamkeit ist gefragt, doch das eine oder andere Schwätzchen ist immer dabei Leider hatten wir an diesem Tag keinen Fund, aber es war trotzdem ein gutes Gefühl etwas unternommen zu haben. Das Gras ist je nach Zeit knie-hoch oder reicht fast bis zum Hals. Ich hätte, trotz meiner normalen Fitness, nie gedacht, dass ich dabei gut ins Schwitzen komme. Gummistiefel und Regenhose ist ein Muss. Nachdem ich meine Fluglizenz (A1/A3) erworben hatte, durfte meine ersten Übungsflüge absolvieren. Übrigens immer mit Co-Pilot! Total interessant und Spaß macht es ohnehin. Schon erstaunlich, was so eine Wärmebildkamera leistet. Ich hatte erfahrene Piloten an meiner Seite, von denen ich viel lernen konnte. Und dann kam der Moment, wo ich „Pilot“ genannt wurde! Ein gutes Gefühl . In der Saison der Rehkitzsuche (etwa Anfang Mai bis Mitte Juni) heißt es früh aufstehen. Je nach Einsatz geht es zwischen halb vier und halb fünf an der Wiese los. Da musste ich mich erst einmal dran gewöhnen. Doch durch den regelmäßigen Pilotenwechsel in dieser Zeit bekam ich immer die Pause, die ich brauchte. Jeder Einsatz ist anders und es schwebt immer eine kleine Aufregung mit, da man nie genau weiß, was ein erwartet. Sobald die Drohne fliegt ist man auch schon mitten drin. Der Pilot fliegt, der Co-Pilot beäugt die Wärmebildkamera und kommuniziert über Funk mit dem Bodenteam, sobald ein potentieller Fund gesichtet wird oder sich andere Notwendigkeiten ergeben. Über diesen Weg haben wir viele Rehkitze gefunden und retten können. Ein tolles Gefühl! Es ist einzigartig in einem Team mit Gleichgesinnten zu arbeiten und die Erfolge zu teilen. Das macht einen stolz. Viele der Beteiligten haben eine Jagdausbildung und ich konnte so nebenbei einiges über die Tierwelt, Flora & Fauna lernen. Nicht zu vergessen, die oft grandiosen Sonnenaufgänge. Ich bin zufrieden auf diesem Wege unterstützen zu können.
Mein (e) Wecker dröhnen durchs Schlafzimmer – ich frage mich wieder mal: Was mache ich hier eigentlich? Und dann breitest sich ein wissendes Grinsen auf meinem Gesicht aus 😊
Ich springe aus dem Bett, schnappe mir einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu Essen, vergewissere mich, dass ich Gummistiefel, Regenhose, Taschenlampe und Handschuhe dabei habe und mache mich auf dem Weg – zum Treffpunkt. Dort versammeln sich nach und nach noch mehr „Verrückte“ wie ich. Trotz der frühen Stunde und durchaus müden Gesichtern, herrscht zwischen den Jägern und ehrenamtlichen Helfern der „Rehkitz- und Wildtiersuche Hegering Tostedt“ eine fröhliche Stimmung – die ersten Sprüche fallen – das erste Lachen ist zu hören.
Kisten, Körbe, Funkgeräte werden verteilt, Touren und Besonderheiten noch kurz durchgesprochen und die Teams finden sich. Dann geht es auch schon los – zum 1. Feld! – der Grund, warum ich breit grinsend aus dem Bett steige – um 2 Uhr nachts: Kitze und Wildtiere vor Schaden durch die Grasmahd auf dem Feld bewahren.
Die Felder, die heute gemäht werden sollen, wurden 1-2 Tage vorher von den Landwirten oder Jägern an uns gemeldet. Sie wurden kartiert und stehen nun als Routenplanung den Teams zur Verfügung. Das Team besteht bestenfalls aus je 1 Drohnen-Pilot/-Copilot und 4x „Bodenpersonal“.
Ich gehöre zum „Bodenpersonal“ und lasse mich von dem Piloten/Copiloten über das Feld scheuchen (die empfohlenen 10.000 Schritte/Tag erreiche ich oft 😉). Sobald die Wärmebildkamera der Drohne einen markanten Punkt anzeigt, kämpft sich das Bodenpersonal durch das noch nasse, hüfthohe Gras zum potenziellen Fundort. Und da liegt es dann: zusammengerollt, ängstlich, geduckt im hohen Gras – ein Kitz. Ein Kitz, dass dem Instinkt folgt, sich zu ducken und sich nicht zu bewegen, um sich vor Gefahren zu schützen. Es würde vor einem Mähwerk nicht weglaufen – und genau deshalb sind wir hier. Die Kiste wird vorbereitet, Gras hineingelegt. Mit viel Gras in meinen behandschuhten Händen, hebe ich das Kitz vorsichtig auf. Jetzt aufpassen – damit kein menschlicher Geruch an das Kitz kommt. Ich spüre das Herz des Jungtieres heftig schlagen – es hat Angst. Vorsichtig wird es in die spezielle Kiste gelegt und mit Deckel und Gurten verschlossen.
An einem sicheren Ort am Feldrand – geschützt vor der aufgehenden Sonne- wird die Kiste abgelegt. Noch ein Foto, Name des Drohnenteams (unsere Drohnen haben Namen: Rehnate, Hornet, Maja und eine private Drohne namens Brummhilde) – und ganz wichtig: der Standort, wo sich das gesicherte Kitz befindet, werden in eine Chatgruppe gestellt. Da wir gleichzeitig mit mehreren Teams unterwegs sind, kann es dann durchaus passieren, dass wir gleichzeitig Fotos und Kitznummern einstellen – aber keine Sorge – wir bekommen den Zahlen/Foto/Standort-Knoten immer wieder mit viel Humor auseinander gepult.
Das Kitz beruhigt sich – und wir werden vom Drohnenpilot per Funkgerät wieder zum nächsten potenziellen Fundort geschickt: „Bitte zur Drohne gehen…. Noch 5 Schritte, 11Uhr… noch 2 Schritte… STOP! Direkt neben Dir!“ – oh man, die Kleinen sind aber wirklich gut unter dem hohen Gras versteckt 😉
So fahren wir von Feld zu Feld. Begleitet von wunderschönen Sonnenaufgängen, Situationskomik, ab und zu Kaffee und Brötchen vom Landwirt und immer wieder neuen Erfahrungen: z.B. dass man manche Gräben einfach nicht sieht – sondern auf einmal drin steht, das Junghasen (nicht größer als eine Handvoll) gern durch die Griffe der Wäschekörbe wieder ausbüxen – und wir sie nochmal einfangen können, dass das Gras durchaus auch mal höher als 1,50 ist, dass Zaunpfähle und Maulwurfhügel für eine Drohne zum potenziellen Fund werden können (sie strahlen Wärme ab, sobald die Sonne aufgeht), dass das Zählen der Kitze/Junghasen morgens um 4 eine echte Herausforderung ist, und vieles mehr.
Gegen 08.00 Uhr geht es dann – zugegeben etwas verdreckt und vielleicht auch mit dem einen oder anderem Mückenstich – wieder nach Hause. Das gute Gefühl, Tiere vor Schaden bewahrt zu haben, bleibt und ich kann mich nach einer Stärkung zufrieden vor den PC setzen – denn wie wir alle, bin ich ehrenamtlich unterwegs und habe natürlich noch einen regulären Job zu erledigen.
Sobald die Flächen gemäht und das Gras gewendet wurde, werden wir informiert. Die „Paten“ für die Kitze/Jungtiere fahren los und entlassen die Tiere wieder in die Freiheit. Meistens steht die Ricke schon in der Nähe der Kiste und erwartet ihr Jungtier.
Ab mittags geht es dann wieder los – es wird neu für den folgenden Tag kartiert, Teams zusammengestellt usw.
…und ich weiß, dass ich in der Nacht wieder mit einem breiten Grinsen aufstehen werde 😊
Wir können mittlerweile auf 5 Saisons der Rehkitzsuche im Bereich unseres schönen großen Hegerings Tostedt zurückblicken.
Die ersten beiden Saisons durchforsteten wir noch zu Fuß Meter für Meter die Grünlandflächen auf der Suche nach zu schützenden Jungtieren. Ab 2020 lösten die Drohnen dies immer mehr ab. Doch nie in Gänze. Unser sogenanntes Bodenpersonal ist stets ein unabdingbarer Teil der Drohnen-Teams.
Auch die Organisation der Gruppe fing klein in einer Whatsapp Gruppe an, die dann auf über 100 freiwillige Helfer anwuchs und viele weitere Sub- und Team-Gruppen hervorbrachte. Mittlerweile habe ich knapp 10 unterschiedliche Whatsapp Gruppen auf meinem Telefon für die Organisation der Einsätze und unglaublich viele Kontakte der Landwirte, Jäger und freiwilligen Helfer. Ein Netzwerk der besonderen Art.
Unsere Drohnenflotte hat sich auch wahrlich gemausert. Am Anfang hätte ich nicht gedacht, wie viel technisches Gerät, das sich ständig verändert und verbessert, in mein Haus einziehen würde.
Da die Förderung des Bundes für Drohnen zur Rehkitzrettung auch unter Cem Özdemir verlängert wurde, konnte die Jägerschaft Harburg e.V. wieder den Zuschuss für zwei Drohnen beantragen und wir als Rehkitz- und Wildtiersuche des Hegerings Tostedt e.V. haben dieses das erste Mal in Anspruch genommen. Zusammen mit dem Erlös des Verkaufs einer älteren Drohne und weiteren Spenden konnten wir nun eine 3. Drohne für unsere Flotte anschaffen.
Eine weitere Neuerung, die wir letztes Jahr durch ein neues Teammitglied implementieren konnten, ist die Flächenplanung durch unsere neue Disponenten-Gruppe. Das war in den Jahren zuvor zunehmend sehr chaotisch und hat nicht selten zu Frust geführt, wenn die müden Piloten nicht schlafen gehen konnten, weil sie noch wach bleiben mussten, um das neue Kartenmaterial auf die Drohnen zu laden. Jetzt nutzen wir Google my maps und können die Grünlandflächen kartieren und für zukünftige Jahre speichern und jedes Jahr leicht wieder abrufen.
Im vergangenen Jahr war es oft in der Presse, dass das Ehrenamt in unserem Land stark leidet, sogar eine Todesanzeige für das Ehrenamt war auf der Titelseite des Wochenblatts zu sehen. Im Zusammenhang mit der Initiative der Rehkitzsuche habe ich viel darüber nachgedacht. Denn auch wir standen 2021 an einer Weggabelung. Wir haben uns für das gesunde Mittelmaß entschieden. Für den Erhalt der erreichten Größe unserer Initiative und gegen starke Vergrößerung. Bei der Rehkitz- und Wildtiersuche des Hegerings Tostedt können sich Freiwillige – bereits erfahrene und immer neu dazu kommende – engagieren und auch immer wieder Neues ausprobieren und lernen. So macht Ehrenamt Spaß.
Dieser Spaß, den wir als Team (meistens) zu gefühlten Unzeiten früh Morgens auf den Feldern haben, befeuert die Motivation in jedem einzelnen und die geretteten Kitze und Jungtiere sind gewisser Weise die Belohnung.
Diese Freude hat im Sommer auch einige unseres Teams motiviert, einen Stand über die Rehkitzsuche zusammen mit dem Info- und Wolfsmobil der Jägerschaft auf dem Buchholzer Stadtfest auszustatten. Ein eindrucksvolles Video, das ebenfalls ein Teammitglied über die Saison 2022 erstellt hat und die präsentierte Drohne, waren ein wahrer Magnet für Groß und Klein und es gab viele interessierte Gespräche.
Für die Freunde der Statistik möchte ich natürlich auch nicht die Zahlen der Saison 2022 vorenthalten: Wir konnten auf etwas über 1100 ha Grünlandfläche 139 Rehkitze, 10 Hasenjunge, 1 Jungkranich, 1 Damkalb sichern und nach der Mahd wieder frei lassen.
Wer Interesse hat uns bei dieser wundervollen Initiative unser ‘Bodenpersonal’ zu unterstützen und die frühen Morgenstunden, ordentlich Bewegung in der Natur, Regenhose und Gummistiefel nicht ablehnt, sollte sich bitte zeitnah per whatsapp bei Janine Böhnke unter Tel. 0176 / 28 61 56 48 melden.
Anfang diesen Jahres las ich in der Zeitung einen Artikel über die Initiative Rehkitzsuche – mit Rehkitz-Foto. Mein erster Gedanke: „Ach wie süüüüß – so eins will ich auch finden“ – typisch Städter 🙈 Ich meldete mich bei Janine Böhnke – und wartete voller Ungeduld auf meinen ersten Einsatz. Der kam! 3 sehr große Felder und ca 1,20m hohes nasses Gras erwartete uns ca 12 Menschen. Alle Sucher in der Reihe – natürlich mit Abstand- und dann die Felder hoch und runter – mit Blick auf das hohe Gras in der Hoffnung ein kleines Kitz zu finden. ICH fand keines. Ich war nach 4 Stunden erschöpft, müde, nass – und doch seeeehr zufrieden. 3 Kitze wurden gefunden, die Felder guten Gewissens zur Mahd freigegeben, meine Bein- und Gesäßmuskeln waren durch trainiert – und frische Luft, Spaß und nette Gespräche gab es gratis. Ich blieb bei der Initiative, führte noch einige „Zu Fuß-Suchen“ durch und nahm auch morgens bei der Suche mit der Drohne teil. Dazu hieß es allerdings: mitten in der Nacht aufstehen! Denn nicht selten trafen wir uns um 3.20 Uhr am Feld! Später wurde es dann nämlich für die Wärmebildkamera zu warm – dann durften die „Tausendfüßler“ (zu Fuß-Suche) wieder übernehmen. Das waren anstrengende Wochen, trotzdem denke ich gerne an die Sonnenaufgänge, den Nebel auf den Feldern, an die 2 weißen Rehe und natürlich an die Kitze, die sich auf dem Boden kauernd vor allen Gefahren versteckten. Ach und gelernt habe ich auch einiges: z.B. das Rehe „bellen“! Ich wurde nämlich „angebellt“ – und hab es nicht kapiert. 😄 Gerne schaue ich auf die Zeit zurück – auch wenn bald Weihnachten ist und die Kitze jetzt groß und munter sind. Ich hab auch schon ’nen Weihnachtswunsch: eine wasserdichte Regenhose! Damit ich nächstes Jahr wieder los stiefeln kann – zur Rehkitzsuche!
Die Rehkitzsuche-Saison 2021 war mit 91 geretteten Kitzen ein voller Erfolg. Für die nächste Saison 2022 möchten wir unsere Drohnen-Flotte noch effizienter machen.
Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung!
Bitte spenden Sie für die Rehkitze! Jeder Betrag zählt.
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.